Was leisten Börsengurus wirklich?
Auf der Suche nach Rat und Unterstützung und in der Hoffnung selbst einmal „reich“ zu werden, lauschen Anleger wie gebannt auf die Worte und Empfehlungen bekannter Börsenexperten. In deren Reihen befinden sich große Namen wie Warren Buffett (Berkshire Hathaway), Bill Gross (Janus Capital), George Soros (Quantum Fund), Nouriel Roubini (Ökonom New York University) oder Marc Faber (Gloom, Boom & Dom Report). Die hohe Nachfrage nach Rat und Unterstützung bestätigen die hohen Zugriffszahlen auf Artikel und Publikationen. Doch wie gut sind deren Prognosen wirklich?
Lohnt es sich, diesen Empfehlungen zu folgen, und kann man damit seine Anlageziele erreichen? Oder sind diese Finanzmarktexperten nichts anderes als „überschätzte Propheten“, die sich eines menschlichen Grundbedürfnisses nach Sicherheit bedienen und damit den Anlegern den Eindruck vermitteln, dass wenn sie ihren Ratschlägen folgen, sie ihre finanziellen Ziele schneller erreichen werden – oder sie zumindest vor schädlichen finanziellen Folgen bewahrt werden?
Wie wird man ein Finanzguru?
Finanzexperten sind Stars. Sie geben Auftritte vor tausenden von Anlegern. Ihre Meinungen und Anlegertipps werden in der Fachpresse veröffentlicht und in den Medien einem großen Publikum zugänglich gemacht. Doch was muss man tun, um einen solchen Status zu erlangen? Wenn auch ihre Lebensläufe unterschiedlich sind, so weisen sie dennoch Gemeinsamkeiten auf.
Viele dieser Experten haben selbst eine Investmentkarriere hinter sich und damit viel Geld verdient. Doch das reicht nicht aus, um einen Guru-Status zu erlangen. Um ein Börsenguru zu werden, muss man mindestens einen Börsencrash konkret vorhergesagt haben.
Einmal Guru geworden, sollten neben seinem Auftreten natürlich auch seine Prognosen stimmen. Bedauerlicherweise haben viele Börsenexperten nur eine kurze Karriere vor sich. Diese führt zwar steil nach oben, fällt aber auch häufig wieder schnell ab, was fast immer an der schlechten Prognosequalität liegt.
Vielleicht erinnern Sie sich noch an Frau Elaine Garzarelli, der es gelungen war, als Analystin von Lehmann Brothers den Börsen-Kollaps im Oktober 1987 vorherzusagen. Damit wurde sie von den Medien zum Guru des „Schwarzen Montags“ gekrönt und gehörte von da an zu der „Crème de la Crème“ an der Wall Street. Leider war ihre Treffsicherheit nach diesem Ereignis eher bescheiden. Sie erreichte mit ihren Prognosen nicht einmal die „Zuverlässigkeit von Münzwürfen“, was schlussendlich dazu führte, dass ihre Popularität allmählich abebbte.
Dies ist kein Einzelfall. Viele dieser Karrieren waren von einem solchen Auf und Ab geprägt. Doch gibt es auch große Namen, die seit vielen Jahren kontinuierlich in der Spitzengruppe der besten Investoren und Marktstrategen zu finden sind. Nach einer Studie des Informationsanbieters Bloomberg aus dem Jahr 2009 liegen die Investmentlegende Warren Buffett sowie der Schweizer Vermögensverwalter Marc Faber ganz vorne.
Wie gut sind die Empfehlungen dieser beiden Finanzgurus wirklich?
Warren Buffet, einer der reichsten Menschen der Welt (derzeit Platz 3 der Forbes-Rangliste), ist schon zu Lebzeiten eine Börsenlegende und wird nicht umsonst als „Orakel von Omaha“ bezeichnet. Wenn Warren Buffett kauft, folgen Anleger auf der ganzen Welt seinen Tipps und Entscheidungen. Doch wie gut sind seine Entscheidungen wirklich?
Wie viele wissen, basiert Buffetts Erfolgsgeheimnis auf „Value Investing“. Er kauft günstig bewertete Aktien und hält diese auch in schwierigen Marktphasen, d.h. er verliert auch im Börsencrash nicht die Nerven und nutzt niedrige Kurse als Einstiegsgelegenheit. Soweit so gut. Doch wie schafft Buffett eine dauerhafte Wertentwicklung, die besser ist als die der meisten Anleger?
Eine Studie aus dem Jahr 2012 von Andrea Frazzini, David Kabiller und Lasse Pedersen (AQR Capital Management und New York University) entzaubert Buffetts Anlagestrategie. Demnach lässt sich Buffetts Anlageerfolg weitestgehend über quantitative Strategien nachbilden. Der Unterschied zu anderen Anlegern, die ebenfalls auf günstig bewertete Aktien setzen, liegt im Wesentlichen darin, dass Buffett dank seines Versicherungsgeschäftes auf billiges Fremdkapital bis zu 60 % seiner Investitionen zurückgreifen kann.
Mit anderen Worten, Buffett nutzt einen Hebelmechanismus, der anderen Anlegern in dieser Form nicht zur Verfügung steht. Dieser Wettbewerbsvorteil zeigt sich auch in seinem Sharpe Ratio von 0,76, welche als Vergleichszahl das Verhältnis zwischen Überrendite, also die Rendite einer Geldanlage, die eine sichere, risikolose Anlage übersteigt, in Abhängigkeit von dem eingegangenen Risiko angibt.
Auch Marc Faber, einer der populärsten Börsengurus und seit vielen Jahren als „Dr. Doom“ bekannt, liefert eine durchwachsene Bilanz. Zwar gelangen auch ihm erfolgreiche Prognosen, die ihn berühmt machten (Aktien-Crash 1987 und 2000, Verkauf japanischer Aktien 1989, Einstieg in US-Aktien 2009). Schaut man sich jedoch alle seine Empfehlungen genauer an, so lag seine Trefferquote bei 38,6 % und damit wesentlich schlechter als ein „Münzwurf“.
Nachfolgend einige vergangene und aktuelle Prognosen/Empfehlungen des Börsengurus Marc Faber:
Was sagt die Wissenschaft zur Prognosegüte?
Manche mögen nun sagen, dass eine solche Argumentation nicht überzeugend ist, schließlich ist sie nicht repräsentativ, weil sie sich ja nur auf gerade einmal zwei Akteure im Prognosegeschäft bezieht. Wie wir alle wissen, sucht die Wissenschaft bei solchen Fragestellungen nach allgemeingültigen Lösungen.
Was sagt also die Wissenschaft zur Qualität von Prognosen und Anlageempfehlungen?
Die Professoren Barber, Lehavy, McNichols und Trueman (Journal of Financial Economics, 85, pp. 490-517) untersuchten die Qualität von 360.000 Analystenempfehlungen, die von 269 amerikanischen Banken und Brokerhäusern zwischen 1986 bis 1996 abgegeben wurden. Das 2001 veröffentlichte Ergebnis war eindeutig. Nach Abzug der Transaktionskosten war kein wirklicher Mehrwert dieser Empfehlungen für die Anleger festzustellen.
Eine weitere Studie, welche von Desai und Jain (vergl.: Qualität des Aktienresearchs von Finanzanalysten/Matthias Stanzel S. 64) durchgeführt wurde, beschäftigt sich mit der Wertentwicklung der Empfehlungen, die in der jährlich ausgerichteten Expertenrunde (Roundtable) des renommierten Börsenmagazins „Barrons“ ausgesprochen wurden. Dies ist ein erlesener Expertenkreis, der nur aus den „Besten“ seiner Zunft besteht. Zwischen 1968 und 1991 wurden von diesen Experten 1599 Kaufempfehlungen ausgegeben. Hätten Anleger nach Veröffentlichung des Börsenmagazins die Empfehlungen befolgt, hätten sie eine Outperformance von 0,2% gegenüber dem breiten Markt erzielt. Die Empfehlungen der Superstars im Rahmen der Expertenrunde des Barrons´s Magazins sind demzufolge nicht in der Lage, langfristig abnormale Überrenditen zu generieren.
Die Ergebnisse sind ernüchternd, ist man doch zunächst gewillt, den Empfehlungen so renommierter Experten Glauben zu schenken und muss dann doch erkennen, dass deren Empfehlungen keinen wirklichen Mehrwert liefern. Es wäre an dieser Stelle möglich, eine Vielzahl von konkreten Beispielen für fehlgeschlagene Prognosen deutscher und internationaler Experten aufzuführen. Dennoch gibt es aufgrund der hohen Anzahl der Marktteilnehmer immer wieder Ausnahmen, also vereinzelt auftretende Experten, welche es schaffen, gute Ergebnisse zu prognostizieren. Das liegt aber im Wesentlichen daran, dass sie im richtigen Moment zufällig das Richtige getan haben. Man könnte auch einfach von Glück sprechen! Diese „Glücklichen“ werden dann die nächsten Börsengurus sein.
Wie lässt sich das Guru-Phänomen erklären?
Betrachtet man eine Marktentscheidung nicht emotional, sondern einfach unter dem Gesetz der Logik, dann hat jede Empfehlung eine Trefferquote von 50 %. Wie der Münzwurf… Aber gibt es eine logische Erklärung, wie Gurus entstehen, also dass es immer mal wieder jemanden gibt, dem es gelingt, eine Börsenentwicklung exakt vorherzusagen? Auch wenn es nur Zufall sein sollte, sollte er sich dennoch erklären lassen. Ein einfaches Gesetz der Wahrscheinlichkeitstheorie hilft in diesem Fall weiter: „Lassen Sie 100.000 Affen eine Marktprognose abgeben, ob der Markt morgen steigen oder fallen wird, so werden am Ende des morgigen Tages ca. 50.000 Affen richtig und 50.000 Affen fasch liegen. Am darauffolgenden Tag werden nur noch 25.000 der ursprünglichen 100.000 Affen richtig liegen, nach drei Tagen 12.500 und nach zehn Tagen bleibt vielleicht noch ein Affe übrig – der neue Börsenguru.“ Damit wir uns nicht falsch verstehen: Börsengurus sind sicherlich keine Affen, sondern hochintelligente Menschen. Es handelt sich hierbei lediglich um ein Beispiel, um eine theoretische Entwicklung einfach zu erklären.
Warum gibt es überhaupt Börsenexperten?
Marktstrategen und Analysten sind wichtig, um einen Starkult zu kreieren, den die Finanzbranche braucht, um ihre aktiven Anlagestrategien zu verkaufen und ihre Umsätze zu steigern. Denn die Finanzbranche versieht ihre Empfehlungen, die nur zufällig aufgehen, mit der Aura von Experten, was deren Akzeptanz deutlich erhöht. Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, warum vergangene Prognosen nur dann nochmal erwähnt werden, wenn sie auch wirklich eingetreten sind?
Oder warum Risiken heruntergespielt und Chancen populistisch erhöht werden? Weshalb werden historische Renditen einzelner Investoren und Anlagevehikel so dargestellt, als ob sie für jedermann nachvollziehbar wären? Tatsächlich werden die Sachverhalte häufig nicht korrekt dargestellt (Beispiel: Die Auswahl der korrekten Benchmark)? All das und noch viel mehr ist nichts anderes als Investmentpornographie (dieser Begriff hat sich in den USA seit Beginn der 90-er Jahre etabliert) und findet sich in einschlägigen Medien, der Finanzpresse und in noch extremerer Form auf den Finanzportalen im Internet wieder.
Prognosen bringen keinen Mehrwert
Zusammenfassend kann man festhalten, dass Prognosen und Empfehlungen weder einen positiven noch einen negativen systematischen Nutzen generieren, wenngleich falsche Prognosen durchaus schädliche Einflüsse auf die Vermögensentwicklung eines Anlegers haben können. Wie zuvor dargestellt, sprechen theoretische Erklärungsansätze gegen ein systematisches Ausbeutungspotential.
Kurzum, solange es keine Kristallkugel gibt, die die zukünftige Marktentwicklung vorhersagt, solange wird es keine Börsengurus geben, die auf Dauer zuverlässige Empfehlungen geben werden. Alles Weitere ist nichts anderes als Investmentpornographie, prognoseartige Medienaussagen, die dem Anleger suggerieren, dass er, wenn er diese Ratschläge umsetzt, seine finanziellen Ziele schneller erreichen kann. Leider ist die Realität meist eine andere. Sollte sich dieser Traum nach schnellem Reichtum dennoch erfüllen, dann ist dies in der Regel nur Glück und meistens mit einem hohen Risiko erkauft.
Um auf der sicheren Seite zu sein, empfiehlt sich ein systematischer und prognosefreier Ansatz, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der Kapitalmarkforschung und niedrigen Investitionskosten.
Für weitere Fragen zu diesem Beitrag oder zu der von uns empfohlenen prognosefreien Strategie stehen wir sehr gerne unter der 06861/709156 oder per E-Mail zur Verfügung.
(Foto: Fotalia 11097182-XS)