Sieben zentrale – nicht ganz ernst gemeinte – Gründe gegen Honorarberatung

Als Hochschullehrer und Experte für Geldanlage und finanzielle Vorsorge werde ich häufig gefragt, ob und wann es Sinn macht, sich an einen Honorarberater zu wenden – und ob es nicht auch gewichtige Gründe gibt, die gegen die Inanspruchnahme von Honorarberatung sprechen. Ja, Vorsicht, muss ich da rufen: Es gibt tatsächlich ein paar Unannehmlichkeiten und Risiken im Umgang mit Honorarberatern, die man bedenken sollte.

 

1. Honorarberatung kostet Geld – Provisionsvertrieb ist gratis

Das wahrscheinlich Unangenehmste gleich vorweg: Wenn Sie einen Honorarberater beauftragen, wissen Sie genau, was er kostet. Schwarz auf Weiß. Das ist nicht schön, so nackte, klare Zahlen mit einem Euro-Zeichen dahinter, mögen die wenigsten von uns. Unvermeidbar sehen Sie also konkret den Preis der Honorarberatung. Da ist leider nichts bemäntelt, verklärt oder abgemildert. Während Ihr Bankberater, Versicherungsvertreter oder Finanzdienstleister ja gratis für Sie tätig wird. Na ja – zumindest scheinbar gratis. Also jedenfalls sehen Sie nicht (auf Anhieb), welche Gebühren mehr oder weniger clever versteckt sind und letztlich von Ihrer Rendite abgehen. Wer will den nackten Tatsachen denn auch schon wirklich so klar ins Gesicht sehen? Haben Sie überhaupt noch Stärke und Muße für weitere unangenehme Effekte der Honorarberatung?

2. Wer die Wahl hat, hat die Qual

Also denn: Auch nahezu unerträglich ist für viele Menschen, dass ein Honorarberater Ihnen leider Gottes mehrere Alternativen vorschlagen wird, aus denen Sie wählen dürfen, oder sagen wir besser, wählen müssen. Ein guter Honorarberater hat einen umfassenden Marktüberblick und wird aus einer breit gestreuten Angebotspalette verschiedene Lösungen vorschlagen. Denn schließlich wird er ja von Ihnen – und nur von Ihnen bezahlt. Dabei wird er Sie nach bestem Wissen und Gewissen beraten, ganz wie ein von Ihnen bezahlter Anwalt. Er wird Ihnen die Vor- und Nachteile der einzelnen Produkte erörtern und Ihnen bei der Entscheidung zur optimalen Lösung helfen. Und zwar – denn dazu ist er verpflichtet – immer in Ihrem, des Kunden Interesse. Doch an einem werden Sie unglücklicherweise nicht vorbei kommen: so ein bisschen eigenes Entscheiden und Festlegen und Verantwortung übernehmen, das müssen Sie letztlich doch.

3. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing

Ach, es könnte so einfach sein. Sie sitzen Ihrem Finanzdienstleistungsberater von der XYZ-Organisation gegenüber. Und bei dem ist sofort und unumstößlich klar, dass nur Produkte von XYZ in Frage kommen, da diese ja ohnehin die besten sind. Oder zumindest Produkte von Kooperationspartnern, die Ihr XYZ-Berater oder sein Arbeitgeber Ihnen empfiehlt und für deren Abschluss er von dem Kooperationspartner eine nette Rückvergütung (=kick-back) erhält. Schließlich arbeitet er doch bei XYZ, was per se ein unschlagbares Argument ist. Ganz anders, wenn Sie einem Honorarberater gegenüber sitzen. Dann wird die Welt bunter. Er wird nicht Schwarz-Weiß-Malen: Meines ist gut, alles andere schlecht. Nein, der Honorarberater wird die sicheren, festgezurrten, einengenden Wände einreißen und den Raum weit machen. Für ihn, und damit leider auch für Sie, gibt es stets mehrere Alternativen und Anbieter, die empfehlenswert sind. Das riecht nach Freiheit, Vielfalt, Unabhängigkeit – ich kann gut verstehen, dass dies manche von uns verängstigt und sie lieber den „einen richtigen Weg der Erlösung“ wählen.

4. Viel hilft viel

Wenn der provisionsabhängige Finanzdienstleister denn schon mal eines seiner tollen Produkte für Sie hat, geht er gerne in die Vollen. Schon Großmutter wusste ja: viel hilft viel. Dann wird er sogleich versuchen, ein möglichst großes Vertragsvolumen abzuschließen. Wenn schon, denn schon. Die Provision des Finanzdienstleisters steigt meist linear mit dem Volumen des Abschlusses. Also noch ein Grund mehr für viel hilft viel. Ganz anders der Honorarberater. Da er nicht nach Abschlussvolumen vergütet wird, hat er keinen Anreiz, Ihnen zur Maximierung des Volumens zu raten. Schon ein bisschen kleinlich, oder? Stattdessen wird Ihnen der Honorarberater, oh Schreck, zu einer auf Ihre Finanz- und Lebenssituation angepasste Lösung raten, die Sie später zu allem Überfluss auch noch flexibel ändern können. Der Nachteil liegt auf der Hand: Sie müssen sich mit Ihrer Finanz- und Lebenssituation auseinander setzen. Sie müssen realistisch einschätzen, was Sie nachhaltig tatsächlich sparen können und möchten, ohne überfordert oder vertraglich geknebelt zu sein. Und Sie erhalten keine Empfehlung, die Sie automatisch an die Grenze Ihrer Leistungs- oder Sparfähigkeit führt. Unangenehme Vorstellung, nicht wahr?

5. Fehlende Motivation durch mangelndes Eigeninteresse

Da entdecke ich auch sogleich die nächste Schwachstelle der Honorarberatung. Ein Honorarberater kann gar nicht richtig motiviert sein. Ihm fehlt das provisionsgetriebene Eigeninteresse, das ihn anspornt. Ebenso wie zusätzliche Verkaufsanreize, Weisungen, Wettbewerbsaktionen und lenkende Strukturen, die den provisionsgetriebenen Finanzdienstleister anstacheln und zum Abschluss motivieren. Es fehlt also schlicht ein Vertriebscontroller, der sicherstellt, dass man an Ihnen auch wirklich maximal viel verdient. Niemand optimiert die Profitabilität der Kundenbeziehung. Hach, das finde ich schon bedenklich! Für den Honorarberater gibt es keine höheren Provisionen oder Wettbewerbspunkte, wenn er Sie zum Abschluss bestimmter Produkte drängt. Der Honorarberater muss ganz ohne diesen Interessenkonflikt arbeiten. Er ist zur provisionsfreien unabhängigen Beratung ausschließlich in Ihrem Interesse verpflichtet. Er muss Ihnen sämtliche Vergütungen und Zuwendungen von Dritten offen legen und entweder weiterleiten oder mit dem transparent vereinbarten Leistungshonorar verrechnen. Es besteht also die „Gefahr“, und jetzt wird es wahrlich mysteriös, dass er Ihnen von unnützen Abschlüssen abrät, unspektakuläre aber dafür kostenarme Lösungen vorschlägt oder vorrechnet, dass manchmal weniger zu mehr führt.

Für ihn gilt die bestechend einfache und Orientierung gebende Logik nicht, dass das, was hoch provisioniert ist, auch das Beste für den Kunden ist. So etwas würde Ihnen beim Provisionsvertrieb nie passieren.

6. Wer A sagt, muss auch B sagen

Ach ja, und noch etwas, nahezu ungeheuerliches: Honorarberater erhalten ihre Vergütung, ihr Honorar doch tatsächlich allein für die unabhängige Beratung. Als Pauschale für eine definierte Gesamtleistung, z. B. eine Begutachtung, Analyse, Finanzplanung oder als Vergütung für eine langfristige Betreuung in zuvor abgestimmten Finanzdienstleistungen. Oder als Stundenvergütung nach klar definiertem Aufwand. Und zwar ganz egal, ob Sie den Empfehlungen und dem Rat des Honorarberaters folgen. Der Honorarberater verdient also ein Beratungsentgelt, unabhängig vom Abschluss eines Finanzproduktes. Und nicht hintenherum über undurchsichtige Provisionen, Vermittlungsgebühren, Kick-backs usw.. So kann es Ihnen gar passieren, dass ein Honorarberater Ihnen rät, nichts zu tun oder einen bestehenden Vertrag einfach fortzuführen und nicht mit hohen Verlusten zu kündigen, nur um einen neuen abzuschließen. Auch das würde Ihnen beim Provisionsvertrieb nicht passieren. Hier würde Ihnen immer etwas Neues verkauft.

7. In der Ruhe liegt die Kraft

Denn noch etwas habe ich bei der Erforschung der Spezies Honorarberater beobachten können: Honorarberater scheinen ein wenig träge und, na sagen wir, kontaktfaul zu sein. Jedenfalls wird Sie ein Honorarberater nicht alle Nase lang anrufen und mit seinem Aktivitätsdruck behelligen: „Wir sollten hier noch etwas umschichten und könnten da noch ein wenig umbetten.“ Honorarberater haben nämlich keinen Aktivitätsdruck, sie verdienen ja nicht an jeder Umschichtung und Umbettung Ihres Portfolios. Tja, sehr bedauerliche Folge: Damit wird Ihnen leider die jeweils neueste Finanzinnovation, oder zumindest Scheininnovation entgehen. Und das wäre doch nun wirklich sehr schade, denn ohne Multi-Level-High-End-Mir-Wird-Schwindelig-Zertifikat werden Ihnen nur die bewährten, sicheren Finanzprodukte verbleiben und der ständige Möchtegern-Neuheiten-Kick ausblieben.

Zum guten Schluss

So, nun kennen Sie die wesentlichen Unannehmlichkeiten und Risiken, die Ihnen bei der Honorarberatung im Vergleich zum Provisionsvertrieb widerfahren können. Nun sind Sie sozusagen gewarnt. Ein großer Vorteil der Honorarberatung soll freilich abschließend nicht verschwiegen werden. Wer Ihnen als seriöser Honorarberater gegenüber tritt, von dem wissen Sie zumindest, dass er Sie nicht mit komplexen, intransparenten Finanz- und Vorsorgekonstruktionen verwirren wird. Klare, einfache, preiswerte Produkte wird er Ihnen empfehlen. Und Ihre Kosten werden selbst im schlechtesten Fall bei maximal 50 % der Kosten des Provisionsvertriebs – im Durchschnitt eher bei 25 % – 35 % liegen. Das ist doch immerhin schon etwas, oder?

Über den Autor

Prof. Dr. Hartmut Walz ist Entscheidungsexperte – sein Kerngebiet ist die Schnittstelle zwischen Ökonomie und Psychologie. Seit Jahrzehnten treibt ihn um, wie wir (noch) besser entscheiden. Als Professor, Redner und Autor hat es sich Hartmut Walz zum Ziel gemacht, so viele Menschen wie möglich von den Erkenntnissen der Verhaltensökonomie profitieren zu lassen. Er erklärt Ihnen wichtige Geldthemen anschaulich, mit AHA-Effekt und Augenzwinkern. In seinem neuesten Buch „Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen“ gibt Hartmut Walz unabhängige Finanztipps für Privatanleger. Denn: Schließlich ist es Ihr Geld.

 

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